Hausärzte müssen stärker in das Impfgeschehen eingebunden werden
Nezahat Baradari, Kinder- und Jugendärztin aus Attendorn und heimische Bundestagsabgeordnete, tauschte sich jetzt per Videokonferenz mit dem Olper Allgemeinmediziner Dr. Martin Junker aus. Junker ist auch Leiter der Kassenärztlichen Vereinigung für die Kreise Olpe, Siegen und Märkischer Kreis mit etwa 1300 Ärzten und Psychotherapeuten sowie Mitglied des Corona-Krisenstabs des Kreises Olpe.
Anlass war das \“Memorandum\“ des Allgemeinarztes. Dort kritisierte Junker den Umgang von Politikern und Behörden mit dem Corona-Virus mit deutlichen Worten. Wer gedacht hatte, dass jetzt Wasser und Feuer aufeinandertrafen, sah sich getäuscht. Die beiden Ärzte fanden aus fachlichen Gründen viele Gemeinsamkeiten und Überschneidungen. Für beide ist aus ärztlicher Sicht klar: \“An erster Stelle geht es um das Wohl des Patienten und nicht um irgendwelche Regelungswut“ (Dr. Junker).
Beide fordern mehr Sachkunde im Parlament und in den politischen Entscheidungsgremien. Dr. Junker nimmt kein Blatt vor den Mund, ihn treibe der „Frust, dass nur Großkopferte und Theoretiker vom Schreibtisch aus als Berater herangeholt werden, statt die wirklichen Sachkundigen aus der Praxis. Das gilt auch für die Medien“.
Baradari verweist darauf, dass der Mangel an sachkundigen Praktikern leider nicht nur im Bereich der Medizin, sondern „in sehr vielen Bereichen“ der Fall sei. Eine Folge seien „riesengroße Gesetzestexte, die zwar gut gemeint, aber reine Theorie sind“. Das habe mit einer patientenorientierten, praktischen und alltäglichen Sicht eines Mediziners oder einer anderen praktizierenden Berufsgruppe wenig gemein.
Insgesamt fehlt es nach Meinung der Bundestagsabgeordneten in der Gesundheitspolitik an einer „Sektorenkopplung“, an einer Instanz, die „die Übersicht hat“ und praktischen Sachverstand mitbringt. So könne unterbunden werden, dass viele Beteiligte, von der Bundesregierung und den Ministerien über die Kassenärztlichen Vereinigungen hin zu den Kommunen, „ihr eigenes Süppchen kochen“.
Fällt es schon Fachleuten schwer, die Gesetztestexte in Gänze zu verstehen, wie geht es dann erst die Bevölkerung? Auch diese Frage treibt beide um. Sie befürchten eine weiter schwindende Akzeptanz und Umsetzungswilligkeit der in Teilen „ansonsten sinnvollen“ Maßnahmen gegen das Corona-Virus.
Unter fehlender Praxisnähe leidet für beide auch der gegenwärtige Umgang mit den Impfungen gegen das Corona-Virus. So bringen die großen Impfzentrum einen sehr umfangreichen Verwaltungs- und Dokumentationsaufwand mit sich, der „das ganze verlangsamt“ (Baradari). Das liege nicht „am Impfen“, wie Junker hinzufügt, „sondern am Papierwust“.
Beide sprechen sich dafür aus, das Impfen auch auf die Arztpraxen zu verlegen. Baradari: „Der Hausarzt kennt seinen Patienten, er weiß welche Vorerkrankungen und Allergien er hat.“ Ähnlich wie bei der Grippe könne die Impfung während des laufenden Praxisbetriebes erfolgen, ohne dem Patienten zum Teil lange Fahr- und Wartezeiten wie bei den Impfzentren zuzumuten.
Dr. Junker lässt auch die vielfach angeführte Kühlproblematik speziell des BioNTech-Impfstoffes für Arztpraxen nicht gelten. In den herkömmlichen Praxiskühlschränken halte sich der Impfstoff etwa sechs Tage. Die Vereinzelung und zielgerichtete Verimpfung sei problemlos in der Praxis möglich. Aktuell liege das Problem eher darin, dass gar nicht genügend Impfstoff bereitstehe.
Zum Foto: Dr. Martin Junker und Nezahat Baradari trafen sich zum Foto vor dem Impfzentrum in Attendorn